Denkanstösse von TopQualiTea
Von Dr. Benedikt Kaukler
Unser Tee-Engagement richtete sich in der Gründungsphase unseres Unternehmens auf Indien. Die folgenden Gedanken wurden für die indischen Teeanbaugebiete entwickelt, sind aber auf Sri Lanka und abgewandelt auf Südafrika übertragbar.
Seit wir uns mit Tee beschäftigen, müssen wir feststellen, dass sich in den Anbaugebieten Südasiens Strukturen überlagern und egenseitig stützen, die eine nachhaltige Entwicklung verhindern. Unter dem Begriff "Fairer Handel" verstehen wir eine Handelspraxis, die ein "sustainable development" ermöglicht.
Weil wir nicht wollen, dass unser Engagement ins Leere läuft, haben wir die Verhältnisse in den Anbauregionen unter die Lupe genommen, haben dann die Handelswege von den Teegärten bis zu den Verbrauchern der sog. Ersten Welt betrachtet und hieraus unsere Ziele und Strategien abgeleitet.
Unsere Ziele lassen sich gliedern in eine
Soziale Zielsetzung
Oft wird der Einwand erhoben, dass fairer Handel keinesfalls klassisch karitativ sein sollte. Mag dies auch generell zutreffend sein, so übersieht es im konkreten Fall, dass Teeplantagen und Teeregionen in Indien nicht nur wirtschaftliche, sondern ebenso soziale Einheiten sind. Die Pflückerinnen und die Arbeiter in den Teefabriken stellen den wirtschaftlich relativ abgesicherte Teil der Dorfgemeinschaften dar. Doch daneben gibt es viele, die ihr Einkommen nicht im Teeanbau finden, aber auch nur wenig andere Gelegenheiten haben, ein Auskommen zu finden. Diesen NichtpflückerInnen Brot und Zukunft in der Region zu geben, das ist das eigentliche Problem der Teeanbaugebiete.
Ziel allen sozialen Engagements ist es daher zu versuchen, Strukturen zu schaffen, welche der Bevölkerung in den Anbaugebieten zu einem mehr selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Leben verhelfen. Hilfe zur Selbsthilfe, welche die in den Anbaugebieten noch stark verwurzelten ethnischen und/oder religiösen Kastensysteme aufweichen hilft, müssen beim fairen Handel im Vordergrund stehen. Zwei voneinander abhängende Projekttypen sind bei der Arbeit vor Ort sinnvoll:
Regionale, gartenübergreifende Projekte:
Wirksamstes Ziel solcher Projekte ist die Bekämpfung des Analphabetentums (in Nordostindien bis 70%) sowie die Unterstützung lokaler Initiativen.
Dieser regionale Ansatz hat den Vorteil, die unterschiedlichen
Interessen und Rivalitäten der einzelnen Plantagen auszuklammern.
Die "gartenneutralen" Projekte finden am ehesten eine breite
gesellschaftliche Zustimmung in den Anbaugebieten. Außerdem
profitieren von dem regionalen Engagement gerade die, die nicht in
das soziale Netz des Teebetriebs eingebunden sind. Bei Projekten,
die ausschließlich innerhalb der Teegärten durchgeführt werden,
drohen diese Menschen durch die Maschen zu fallen. Die sozialen
Spannungen werden dann eher verschärft.
Auch der Grundkonflikt zwischen sozial engagierten Importeuren
einerseits und Plantagenbesitzern andeererseits, die am Status Quo
festhalten wollen, weil für sie profitabel, wird entschärft, da die
allermeisten Großgrundbesitzer außerhalb der Anbaugebiete leben und
nicht direkt von den Projekten betroffen sind. Bei einem größeren
Spendenaufkommen ist es sinnvoll, für diesen Zweck eine NGO
(non-government-organization) zu gründen, die Gelder und Projekte
betreut und direkt mit lokalen Initiativen zusammenarbeitet.
Innerbetriebliche Projekte:
Hilfe zur Selbsthilfe kann immer nur heißen, die "Bedürftigen" dort abzuholen, wo sie sind und ihnen dann Instrumente zur Verfügung zu stellen, die ihnen eine möglichst freie Selbstbestimmung ermöglichen. Im Falle der indischen Teeanbaugebiete - außer etwa in Kerala - heißt dies heute vor allem, Bildungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen.
Doch Alphabetisierung der Bevölkerung allein wird den gewünschten
sozialen Wandel nicht herbeiführen. Ohne Vorbild und ohne
weiterführende Angebote droht die wachsende Erkenntnis von der
eignen Perspektivlosigkeit in Unzufriedenheit und Gewaltbereitschaft
zu münden. Die Entwicklung im Vielvölkerstaat Indien kann leicht in
Bürgerkrieg und Mafiabanden enden, wie in einigen Regionen jetzt
schon sichtbar.
Um es erst gar nicht soweit kommen zu lassen, sind die Pilotprojekte in den Teegärten und andere freiwillige (europäische) Angebote sinnvoll. Sie können Vorbild sein, Perspektiven für die verschiedenen lokalen Akteure aufzeigen und neue Entwicklungen anstoßen. Je nach Größenordnung sollten sie über eine lokale NGO mit Unterstützung der zuständigen Verwaltungsstellen und von Partnern aus Europa und Nordamerika betrieben werden.
Einige wenige Plantagenbesitzer sind durchaus willens, ihren
Grundbesitz Stück für Stück zu Pilotprojekten des fair trade umzuwandeln. Diese eher idealistischen Eigner, die keine Furcht vor
sozialem Wandel haben, bilden jedoch eher die Ausnahme.
Aber auch sie haben ihren Stolz und wollen auf keinen Fall mit
"Trittbrettfahrern des fairen Handels" in einen Topf gesteckt
werden.
Diesen wenigen Pilot-Teegärten kommt eine wichtige Funktion zu, wenn es gelingt, die Maßnahmen in der Region unter der Bevölkerung bekannt zu machen. Besteht erst einmal eine breite Aufmerksamkeit, dann haben die Pilot-teegärten (wie etwa Samabeong oder auch Makaibari in der Region Darjeeling) die Chance, auf ihre Umgebung positiv als Beispiel wirken.
Fehlt die Publizität, bleibt ein noch so gutes Einzelprojekt ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die gewünschte Breitenwirkung bliebe aus. Und allein auf die Einsicht der Eigner zu warten, wäre naiv. Genauso naiv wie der Ansatz, von außen und oben "Betriebsräte" in den Teegärten zu initiieren; denn diese könnten sich nicht aus der Abhängigkeit von Managern und Eignern lösen und würde schlimmstenfalls eine privilegierte Arbeiterelite schaffen.
Der notwendige Bekanntheitsgrad ist am ehesten zu schaffen durch die zuvor genannten "Regionalprojekte". So kann ein breites Wissen über und eine Sensibilisierung für soziale Belange entstehen. Daraus hervorgehend ist dann leichter eine Entwicklung zu initiieren, die einen wirksamen Druck aus der Bevölkerung auf die Eigner aufbaut, ihr Management sozial verträglicher zu gestalten.
Fazit: Der ausgewogene Mix zwischen regionalen und betrieblichen Modellprojekten verspricht die besten Ergebnisse, um die verkrusteten sozialen Verhältnisse in gewünschter Weise vor Ort aufzubrechen.
Voraussetzung ist, dass sich die Fair Trade-Unternehmen stärker als bisher vor Ort engagieren, z.B. im Rahmen einer NGO mit qualifiziertem Personal.
Denn was beim Kaffee einfach ist: den Kleinproduzenten allein schon dadurch zu helfen, indem ihre Produkte gekauft werden und ihnen zu angemessenen Bedingungen der Zugang zum Markt verschafft wird, funktioniert bei feudalen Plantagensystemen des Teeanbaus nur, falls der "Herrscher aufgeklärt" ist und das Wirken lokaler, sozial engagierter Eliten zulässt oder sogar fördert.
Daher engagiert sich TopQualiTea besonders für die Schaffung und Verbesserung von Bildungseinrichtungen und zeigt Präsenz vor Ort. Die Stiftung einer Elementarschule als erstem größeren Engagement von TopQualiTea nach seiner Gründung sollte ein starkes Zeichen setzen.
Ökologische Zielsetzung
Ökonomisches Ziel ist es, den Konsumenten in Europa und Nordamerika qualitativ guten Tee günstig anzubieten und zu verkaufen. Qualitäts- und Preiskontrolle stehen im Vordergrund.
Es ist ein Skandal zu Lasten der Anbauer, dass nach wie vor billiger Tee als Qualitätstee angeboten wird.
Beispiel: Von den weltweit verkauften 40.000 t "Darjeeling" sind nur 10.000 t echter Darjeeling (nach einer Schätzung des Indian Tea Board). Das Qualitätssiegel des Indian Tea Boards versucht daher, diesem Missstand abzuhelfen.
Die Teeauktionen in Kalkutta, Siliguri und Guwahati sollen neben der vorbildlichen Qualitätskontrolle zwei Funktionen erfüllen:
a) auch mittleren und kleineren Produzenten direkten Zugang zum Export zu ermöglichen und so den Großplantagen mit ihren ausgezeichneten Verbindungen nach Europa und in die USA ein Exportmonopol zu verwehren.
b) auch mittleren und kleineren Importeuren über Agenten marktgerechte Preise zu ermöglichen, die bei direktem Garteneinkauf häufig nur Großimporteuren gewährt werden. Gerade der bis heute fast nur direkt vermarktete Bio- und/oder Transfair Tee belegte (und belegt oft leider immer noch) diese Tatsache mit weit überhöhten Preisen im Verhältnis u den Herstellungskosten. Und: anders als bei Kleinproduzenten kommt die enorme Profitspanne nicht den Bedürftigen, sondern den Großgrundbesitzern zugute.
Diese Funktionen werden leider nur unvollkommen ausgefüllt; der Marktanteil der Auktionen ist zu klein, die Dominanz der wenigen großen Handelsunternehmen zu groß und die Wege vom Produzenten zur Auktion und zu den Kunden zu lang. So wichtig die Auktionen für das wirtschaftliche Gefüge sein mögen, für die marginalisierten Kleinproduzenten und mit Blick auf die ganzheitliche Zielsetzung und die umfassenden, viel weiter als nur auf den Geschmack gerichteten Qualitätsanforderungen ist es viel bedeutsamer, möglichst selbst direkt vor Ort zu agieren, direkte Erzeuger-Kundenbeziehungen herzustellen und sich nicht auf die erste Stufe des Zwischenhandels, den Agenten, oder gar die weiteren Etappen des Handels zu verlassen.
TopQualiTea verknüpft daher Herstellung und Konsumenten auf dem direktesten Weg. Wir sind in den Teegärten präsent, kaufen bei den Erzeugern direkt ein und liefern bei Ihnen, den Kunden unmittelbar aus.